Feuerwehrmann Michael Pozorski hat schlimme Bilder gesehen, Menschen das Leben gerettet und zum Adventsmarkt in seinem Heimatort Bergholz-Rehbrücke in der Gulaschkanone Erbsensuppe gekocht. Jetzt muss der Ortswehrführer sein Amt und sein bisheriges Leben aufgeben.
So kennt man ihn: Michael Pozorski an der Gulaschkanone. Seine Erbsensuppe gab’s zum Adventsmarkt oder auch zum Handwerkermarkt.
Das Bild hat sich in Bergholz-Rehbrücke eingeprägt: Wenn im Dezember der Adventsmarkt in der Schlüterstraße öffnet, steht Michael Pozorski an der Gulaschkanone und verteilt Erbsensuppe. Der Feuerwehrmann, der die Erbsensuppe so gut zubereiten kann, gehört zum Adventsmarkt dazu wie der Weihnachtsmann und sein Weihnachtsengel. Bislang war es kaum vorstellbar, dass es irgendwann nicht mehr so sein soll. Doch die Ära geht zu Ende. Michael Pozorski wird nicht mehr an der Feldküche stehen. Und was für ihn noch schlimmer ist: Der 62-Jährige gibt aus gesundheitlichen Gründen auch sein Amt als Ortswehrführer auf.
Ab dem 31. Januar führt er nicht mehr die Freiwillige Feuerwehr Bergholz-Rehbrücke an. „Ich habe lange mit mir gerungen, diesen Schritt zu gehen“, sagt er und fügt hinzu: „Ich bin nicht mehr so einsatzfähig, wie man es von einem Feuerwehrmann erwartet.“ Für ihn ist es dann nur konsequent, von der Spitze zurückzutreten: „Ich kann nicht Ortswehrführer sein und keine Einsätze mehr fahren – das geht nicht.“ Die Gesundheit spielt nicht mehr mit und die Ärzte auch nicht. Mehr will er zu dem Thema nicht sagen. Nur so viel noch: „Es tut weh – nach 42?Jahren.“
Zum Nuthetaler Neujahrsempfang war er einer der Geehrten. Für ihn hatte Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) noch einen sehr persönlichen Satz parat: „Wir werden den Brummbären vermissen.“ Der 62-Jährige, der derzeit krankgeschrieben ist, gehört zu den Menschen, die offen sagen und zeigen, wenn ihnen etwas nicht passt. „Manchmal muss man auch etwas lauter werden, damit Dinge getan werden“, sagt er. Seine Maxime: „Man darf nichts in sich hineinfressen.“ Für einen Feuerwehrmann, der zu Unfällen und Bränden gerufen wird, wäre das auch fatal.
„Ich habe alles erlebt“, sagt Pozorski, der vor 42 Jahren als Brandbekämpfer bei der Betriebsfeuerwehr des VEB Mikroelektronik Stahnsdorf begann. Er arbeitete dort als Einrichter und war zur Stelle, wenn etwa im Sommer die Kohlelagerplätze am Betriebsgelände brannten. 1981 trat der gebürtige Bergholz-Rehbrücker der Feuerwehr des Heimatortes bei und wurde 2001 Ortswehrführer.
Mit seinen Feuerwehrleuten ist er zur Stelle, wenn Menschen aus ihren zerknüllten Unfallautos herausgeschnitten werden müssen oder sich jemand am Rehbrücker Bahnhof auf die Gleise gelegt hat. Feuerwehrleute sind meist die ersten vor Ort und sehen schlimme Bilder. „Man darf das nicht an sich herankommen lassen, sonst wird es schlimm für einen selbst“, sagt er: „Retten und nach Hause fahren, geht nicht. Man muss danach mit den Kameraden darüber reden.“ Im Leben von Michael Pozorski gab es viele Fälle, bei denen die Brandbekämpfer Redebedarf hatten. Etwa der Unfall des Motorradfahrers, der auf dem früheren Spezialbaugelände in einen Bauzaun fuhr. „Wir haben so lange versucht, ihn wiederzubeleben, bis der Arzt gesagt hat: ,Ihr könnt aufhören, er hat sich das Genick gebrochen. ’“
Die mentale Belastung, die stehen gelassenen Essen, der verlorene Schlaf und verpasste Freizeit sind eine Menge Entbehrungen für Leute, die kein Gehalt für ihren freiwilligen Einsatz bekommen. Pozorski weiß die andere Seite dieses Lebens zu schätzen: Der Zusammenhalt unter den Feuerwehrleuten, die Freundschaften, die es in einem üblichen Leben vielleicht nie gegeben hätte, oder die tiefe Befriedigung, einen Menschen das Leben gerettet zu haben. „Es ist kein Beruf, es ist eine Berufung“, sagt Christiane Pozorski, seine Frau, die selbst seit 30 Jahren Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ist. Ihr Mann tritt am Mittwoch in die zweite Reihe. „So weit es geht, werde ich die Jugendwehr noch unterstützen“, sagt er.
Von Jens Steglich
(Quelle: MAZ Online vom 31.01.2018)